EIN FAMILIENUNTERNEHMEN – ZWEI GENERATIONEN

EIN FAMILIENUNTERNEHMEN – ZWEI GENERATIONEN!

 

Herzlich Willkommen, Daria Büchel!

 

 

Viele Selbstständige machen sich Sorgen, wer das mit viel Engagement aufgebaute Unternehmen später übernehmen wird. Im Unternehmen Büchel GmbH & Co. Fahrzeugteilefabrik KG ist jetzt der Schritt zur nächsten Generation mit der ältesten Tochter der vier Büchel-Kinder vollzogen. Herzlich Willkommen, Daria Büchel!

 

Das Unternehmen Büchel gehört damit zu einem der wenigen großen europäischen Fahrradzubehör-Lieferanten, das auf den Nachwuchs in dritter Generation setzen kann. Eine Familienbande also. Nicht selten arbeiten zwei Generationen gemeinsam in einem Unternehmen. Damit diese Zusammenarbeit funktioniert, müssen oftmals Stolpersteine aus dem Weg geräumt und Regeln der gegenseitigen Abgrenzung berücksichtigt werden. Wie das in unserem Fall gelöst wurde, verrät dieses Interview:

Frage:

Frau Büchel, für Sie war der Weg ins väterliche Unternehmen nach dem Studium keine Selbstverständlichkeit, wie ist die jetzige Entscheidung zustande gekommen?

 

Daria Büchel:

Für mich war es tatsächlich keine Selbstverständlichkeit, obwohl der Wunsch meines Vaters schon länger ausgesprochen war. Ich wollte meine eigenen Erfahrungen sammeln und mich ausprobieren. Ich habe unter anderem im Ausland studiert und nach der Uni sieben Jahre bei Google gearbeitet – und wollte erst einmal überhaupt nicht ins Unternehmen einsteigen. Nach diesen sieben Jahren war dann aber doch irgendwann der Zeitpunkt für etwas Neues gekommen – ich hatte Lust mehr Verantwortung zu übernehmen und wirklich etwas zu gestalten. Da kann der Einstieg ins Familienunternehmen eine unheimliche Chance sein, über die ich auch sehr dankbar war. Gleichzeitig war es aufgrund des Alters meines Vaters ohnehin an der Zeit, mich zu entscheiden.

 

Frage: 

Und was hat Ihnen geholfen, diese Entscheidung zu treffen?

 

Daria Büchel:

Mein Vater und ich haben uns zusammengesetzt, ich habe in einem persönlichen Coaching meine Wünsche verdeutlicht, den Einstieg in das Unternehmen an einige Bedingungen geknüpft und diese mit der Unterstützung eines Mediators mit meinem Vater besprochen.

 

Ein wichtiger Punkt war dabei für mich, die Mitarbeit im Unternehmen ausprobieren zu können und nicht jetzt eine Entscheidung für den Rest meines Lebens zu treffen. Gerade im Familienunternehmen hat man als potenzielle Nachfolge das Gefühl, das muss jetzt klappen, und zwar für immer – sonst ist man gescheitert. Das bringt extrem viel Druck in die Entscheidung. Dabei ist das Motto „für immer und ewig“ nicht mehr zeitgemäß. Heute trifft niemand mehr eine Entscheidung für sein ganzes Leben – weder im Job noch privat. An dieser Stelle etwas offener für andere Modelle zu werden, würde sicher bei einigen in der Nachfolgegeneration auch dazu führen, sich eher für einen Einstieg ins Unternehmen zu entscheiden. Dieses „Lebenslang“ hindert sicher viele daran.

 

Es kann immer etwas passieren, Lebenssituationen ändern sich – das von Anfang an mitzudenken und zu verbalisieren, hat mir geholfen. Bei uns heißt es jetzt: Wir schauen regelmäßig, wie es läuft und wie es weitergeht. Momentan macht es mir unheimlich viel Spaß und ich freue mich darauf, noch tiefer einzusteigen.

 

Frage:

Herr Büchel, als Sie nach dem Tod Ihres Vaters Karl Büchel 1976 in das Unternehmen eintraten, stellte sich überhaupt nicht die Frage Ihrer Funktion, Ihres Engagements. Sie mussten umfassend in allen Bereichen agieren. Das ist bei Ihrer Tochter Daria anders: Welche Funktion übernimmt sie im Unternehmen?

 

Erhard Büchel:

Wir haben uns vorerst auf die Bereiche Strategie, Nachhaltigkeit und Digitalisierung geeinigt. Und natürlich bedeutungsvoll ist das Engagement meiner Tochter vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrungen bei Google im Verkauf über die neuen Medien, sprich Internet. 

 

Frage:

Und eine Frage ergänzend: Wenn die nächste Generation mittel- und langfristig das Unternehmen leiten soll, muss dies Ihrer Meinung nach von Beginn an gegenüber den Mitarbeitenden kommuniziert werden?

 

Erhard Büchel:

Ob meine Tochter Gesellschafterin ist oder nicht, spielt vorerst keine Rolle. Sie ist in der Holding vertreten und das bedeutet zum einen Entlastung für mich und ich freue mich auf ihre frischen, neuen Ideen – stellenweise sind wir ziemlich veraltet.

 

Frage:

Frau Büchel, welche konkreten Aufgaben werden Sie übernehmen?

 

Daria Büchel:

Eigene Bereiche zu betreuen und aufzubauen, war mir von Anfang an wichtig. Natürlich versuche ich möglichst viel von meinem Vater mitzunehmen – er hat einen unglaublich großen Erfahrungs- und Wissensschatz. Auch die Fahrradindustrie ist neu für mich. Aber ich habe nicht umsonst so viele Jahre etwas anderes erfolgreich gemacht, daher möchte ich meine Expertise einbringen. Was das detailliert bedeutet, ergibt sich gerade. Ich werde bei uns einige Aufgaben im Verkauf übernehmen und mit den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung ganz neue Bereiche aufbauen. Gegenwärtig durchlaufe ich alle Abteilungen und definiere mit Blick auf die Potenziale für Digitalisierung verschiedene Zielsetzungen und Maßnahmen. Es gibt definitiv einige Prozesse, die man beispielsweise durch Automatisierung vereinfachen kann und durch künstliche Intelligenz kommen noch viele spannende Potenziale der Arbeitserleichterung auf uns zu.

 

Auch beim Thema Nachhaltigkeit starte ich mit grundlegenden Analysen zum Status-Quo und viel Weiterbildung. Ich möchte gemeinsam mit unserem Team eine Strategie mit klaren Handlungsfeldern entwickeln, mit der wir aktiv in Richtung Net Zero kommen. Das sind alles große Aufgaben – aber viele kleine Schritte und die Unterstützung im Team erleichtern es, diese zu bewältigen.

 

Frage:

Hilfreich ist es, wenn die nächste Generation nicht nur dank Studium über das notwendige Fachwissen verfügt, sondern sich bereits mehrere Jahre in einem Unternehmen bewiesen hat. Welche Erfahrungen konnten Sie bisher sammeln?

 

Daria Büchel:

Bei Google war ich im Bereich Sales und Marketing, zuletzt als Industry-Managerin tätig. Als strategische Hauptansprechpartnerin habe ich große multinationale Kunden aus der Konsumgüterindustrie betreut und sie in ihren Aktivitäten mit Google, auch über Online-Marketing hinaus, beraten. Aus dieser Zeit habe ich das Wissen mitgenommen, wie digitale Unternehmen funktionieren. Und davon können auch mittelständische oder produzierende Unternehmen lernen. Es geht um die Art des Arbeitens – Transparenz, klare Zielsetzungen und Kommunikation im Team.

 

Tech-Unternehmen arbeiten unter anderem mit Rapid Prototyping – sie können schnell testen, wie es läuft und dann sofort reagieren. Zu meinem Erstaunen habe ich festgestellt, dass das bereits in unserem Unternehmen funktioniert. Das Team geht schnell voran. Statt alles erst einmal durchzuplanen, wird schnell Feedback eingeholt und damit haben wir einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Das erinnert mich an die Vorgehensweise von Tech-Unternehmen.

 

Erhard Büchel:

Wir haben kurze Entscheidungswege, bevor die anderen Unternehmen den Auftrag besprochen haben, haben wir den Auftrag schon ausgeliefert.

 

Daria Büchel:

… sicherlich könnte man etwas an den Strukturen arbeiten, um Effizienzen zu gewinnen …

 

Erhard Büchel:

Durch Strukturen wird man langsam.

 

Daria Büchel:

Nicht immer.

 

Erhard Büchel:

Nicht immer, bei uns ist es streckenweise zwar ein wenig chaotisch, aber ganz klar: Wir brauchen bis zur Umsetzung ein Drittel der Zeit, die große Unternehmen unserer Branche benötigen.

 

Frage:

Immer wieder ist zu lesen, dass es häufig Diskussionen beim Eintritt der nächsten Generation in Bezug auf das Gehalt gibt. Während junge Unternehmensnachfolger heute oftmals mit Bestnoten von der Uni, attraktiven Praktika und interessanter Berufserfahrung aufwarten können, wie dies bei Ihnen der Fall ist, scheut sich die ältere Generation, zu Beginn ein entsprechendes Gehalt zu bezahlen, bevor sich der „Sprössling“ nicht im Unternehmen bewiesen hat. Herr Büchel, wie ist Ihre Meinung dazu?

 

Erhard Büchel:

Wir haben uns gut geeinigt. Es gibt auch innerbetrieblich Möglichkeiten der „freundlichen“ Gestaltung.

 

Frage:

Viele Inhaber geben ihren Kindern zu Anfang weniger wichtige Aufgaben oder reden ihnen immer wieder in ihren Verantwortungsbereich hinein. Wie ist das bei Ihnen geregelt, Herr Büchel?

 

Erhard Büchel:

Daria ist Prokuristin in der Industrieholding.

 

Daria Büchel:

Ich bin nicht die Junior-Geschäftsführerin, beide Seiten schauen sich die Zusammenarbeit an. Natürlich wünschen sich alle, dass es ewig läuft, aber das wissen wir beide doch gar nicht. Wir schauen, ob dieses berufliche Modell funktioniert und der Verantwortungsbereich wird dann definiert, wenn wir sagen, dass es so passt.

 

Erhard Büchel:

Na ja, von unseren chinesischen Partnern wird meine Tochter bereits „small boss“ genannt. Und überhaupt ist aktuell alles „Friede, Freude, Eierkuchen.“

 

Daria Büchel:

Zurzeit arbeiten wir Seite an Seite. Ich habe allerdings auch einen Dickschädel und wenn ich etwas auf einem Gebiet, auf dem ich mich bestens auskenne, erreichen möchte, dann werden wir uns einigen. Immerhin habe ich im Umgang mit meinem Vater 34 Jahre Übung.

 

Frage:

Frau Büchel, Sie leben in Fulda, also am Standort der Büchel-Zentrale und in Berlin. Eine große Herausforderung besteht sicherlich in der Tatsache, dass man sich bei der Arbeit täglich sieht, diskutiert und vielleicht auch das eine oder andere Mal streitet. Entsteht dabei die Gefahr, diese „Probleme“ von der Arbeit ins Private mitzunehmen?

 

Daria Büchel:

Das Unternehmen beschäftigt mich sieben Tage in der Woche, 24 Stunden täglich. Ich spreche mit Freunden darüber, ich träume davon, bisweilen möchte ich abends mit meinem Vater darüber sprechen. Das klappt manchmal, manchmal sagt er aber auch, er möchte jetzt lieber von seinem letzten Restaurantbesuch berichten.

 

Frage:

Neuen Schwung, neue Ideen und notwendiges Veränderungspotenzial ins Unternehmen zu bringen, das wird sicherlich von Ihnen, Frau Büchel, erwartet. Wie gelingt das Ihrer Meinung nach am besten?

 

Daria Büchel:

Ich stelle fest, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Lust haben, Veränderungen mitzutragen.  Natürlich gibt es Mitarbeitende an Produktionsstandorten oder auch in der Zentrale, die schon länger mit ihrem System arbeiten. Hier ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, zu erklären und ihnen nicht das Gefühl zu geben, alleine gelassen zu werden. Ich habe wirklich Lust, den einen und anderen Ball ins Rollen zu bringen, wie wir intern besser zusammenarbeiten können, unter anderem cloudbasiert, auch mit dem Home-Office kann es einfacher werden. Das lässt sich alles umsetzen, mit vielen Lösungen habe ich schon gearbeitet. Am Ende des Tages wäre es ein Fehler, nicht genügend Zeit und Geduld aufzubringen. Alle Veränderungen für die Zukunft stehen und fallen damit, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitmachen.

 

Frage:

Herr Büchel, wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

 

Erhard Büchel:

Ich hoffe sehr, dass das Unternehmen als Familienunternehmen so weiter fortbesteht. Die wirtschaftliche Entwicklung ist fließend, vor zehn Jahren hätte ich nicht gedacht, dass wir unter anderem Teile für die Landwirtschaft produzieren. Man muss einfach schauen, dass man Opportunities mitnimmt. Und ich persönlich werde mich so lange engagieren, wie es mir Spaß macht.

 

Und an Sie gerichtet diese Frage?

 

Daria Büchel:

Ich habe mich davon verabschiedet, Zehn-Jahres-Pläne zu machen, zumindest privat.

 

Mein Vater hat recht, wir sollten ein modernes, digitales Unternehmen werden und damit die Attraktivität als Arbeitgeber verstärken, Offenheit und Flexibilität beibehalten.

 

Frage:

Auch Ihre Geschwister könnten noch in das Unternehmen einsteigen?

 

Daria Büchel:

Ich würde mich freuen, wenn meine Geschwister mitarbeiten würden, die sind cool und sehr intelligent. Aber sie sollen es wirklich selber entscheiden. Für mich war es optimal, ganz aus eigenem Willen zu entscheiden. Und eigene Erfahrungen zu sammeln, das würde ich ihnen niemals nehmen wollen.  Und mein Vater sollte ihnen die Entscheidung überlassen.

 

Erhard Büchel:

Da mische ich mich nicht ein, sie werden es machen, wie sie es für richtig halten.

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Uwe Ruppel

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